Strandgedanken zum Kugelwohnplatz

Ich ertappe mich dabei, auf den weiten Meeresspiegel hinauszusehen und mir dabei klar zu machen, dass dieser Brandung hier, 10000 km entfernt, eine andere entspricht, die im rechten Winkel zu dieser brandet, jetzt, ganz real, z.B. irgendwo in Indien.

Welle …

Ich versuche mit meinem Geist die gewaltige Größe dieses Kugelwohnplatzes zu umfassen. Ich spüre förmlich, wie wir rundherum wuselnd an seiner Oberfläche kleben und ihren Mutter-Körper so selbstverständlich für „unten“ halten.

Dass wir eine apfelschalen-dünne, organische Schicht bewohnen, darunter glühendes Gestein, darüber lichtjahreweit Weltraumkälte, ein Biofilm, ein pures, lebendiges Wunder, wir wissen vieles darüber, aber wir spüren es nicht in unseren Seelen.
Wir reißen die in hundertausenden Jahren sanft und geduldig aus Blatt- und Farngrün entstandene, als Kohle und Öl verkörperte Sonnenstrahlenenergie aus der Erde, verbrennen alles – rücksichtslos und ahnungslos wie zündelnde Kinder – fast explosionsartig in wenigen Jahrzehnten in unseren röhrenden Motoren und Turbinen und entlassen die Abfallprodukte in unsere kostbare, einzige, begrenzte  Apfelschalen-Lebenswelt.

Welle …
Welle …

Unser Wirtschaftssystem des immerwährenden Wachstums ist auf den Prinzipien des Eigennutzes als Antrieb, und der Aneignung von natürlichen Resourcen erbaut. Erhält diese Kraft zuviel Raum, entsteht unpersönliche, alle Folgen für andere ignorierende Gier. Der Treibstoff der Megamaschine. Gier ganz nüchtern und nichtmoralisch betrachtet ist, wenn man als mehr von der Welt nimmt, als einem als organischem Teil eines Ganzen zusteht. 

Welle …

Würde nicht jeder von uns sofort bestreiten, dass er diese Eigenschaft lebt, und darauf hinweisen, daß er/sie als eizelne/r sowieso nichts ändern kann, und vielleicht auf andere zeigen, die es weit schlimmer treiben?
Was aber, wenn unsere ganze soziale, technische, monetäre Lebensumwelt so organisiert ist, dass sie systemisch genau dieses Zuviel (für die Erde, unsere Mitmenschen) zur Folge hat, haben muss? 
Wir leben in einer Zeit, in der einer immer größeren Zahl von uns dieses seit einigen dutzend Jahrzehnten gelebte Übermaß langsam kollektiv bewusst wird. Kundige drücken es so aus, dass wir – gemessen an der Tragfähigkeit und Regenerationskraft unserer Biospäre – aktuell schon dabei sind, die zweite Hälfte eines zweiten Erdplaneten anzubrechen, obwohl wir real nur diesen  einzigen haben. 

Welle …

Aber wieweit kann man von einem Einzelmenschen verlangen, dass er – infolge gedanklicher Analyse und/oder seelischer Betroffenheit – völlig anders handeln soll, als seine gesamte soziale Umwelt, in die er hineingeboren wurde und von der er abhängig ist, die ihm den Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten vorgibt? 

Welle …

Wir sind so so abhängig voneinander! 
Schau Dich probeweise einmal bewusst um an dem Ort, an dem Du dich gerade befindest, und überlege, welche der Dinge, die Du an Dir und um Dich herum siehst von Dir selbst hergestellt wurden, und welche von hunderten anderen Menschen, in ausgeklügelter, geldvermittelter Arbeitsteilung rund um die Welt. 
Das ist technische Verbundenheit ohne persönliche Verbundenheit.
Für welche Dinge davon hättest Du zumindest theoretisch die nötigen Kenntnisse, sie herzustellen? 
Wenige bis keine? 
Das meine ich mit Abhängigkeit.

Welle…

Was tun??

Ein Segeltraum mit der Tuckerthompson

Ein alter Traum wird wahr – ein Tag segeln mit dem Zweimaster „Tucker Thompson“ in der „Bay of Islands“. Wir starten von Russell, der frühen Hauptstadt der Insel, die aber nur ein kleines, überschaubares Städtchen ist mit schönen alten Häusern. Gleich gegenüber liegt der historische Geburtsplatz Neuseelands, an dem der „Vertrag von Waitangi“ zwischen den Maoris und den Engländern unterzeichnet wurde.

Ist das nicht ein Prachtboot?

Hier der schicke echte und ein angehender Käpt’n in Aktion. Die Crew bei der Arbeit – Seile ordnen so fix wie’s Brezelbacken. Wer möchte, darf gern mit anpacken.

Das hier ist allerdings eher für Fortgeschrittene. Die Hälfte der Mannschaft ist – echt neuseeländisch scheint uns – weiblich, und packt kräftig mit an:

Das ist zu reizvoll, ich muß da rauf! Mit einem Bauchgurt und einem Karabiner klinkt man sich beim Klettern in den Wanten ein…

Unglaublich, hier oben zu sitzen, das Schiff unter mir ist ganz klein, ich sehe, und spüre dann jede Welle, und schwinge hin und her. Kindheitserinnerungen werden lebendig, wie ich mit 6 oder 7 Jahren mich vom Wind ganz oben auf der großen Tanne schaukeln liess.
Die Aussicht auf die „Bay of Islands“ ist grandios. Ich entdecke etwas ganz besonderes: Die Sonne umgibt das Schiff im klaren, tiefen Wasser mit einem riesigen, konzentrischen, helltürkis irisierenden Strahlenkranz. Wow! Sollte das das berühmte Meeresleuchten sein?
Leider hat Sybil unten auf Deck die Kamera…

Am Wendepunkt der Fahrt legen wir an einer „Pirateninsel“ in einer einsamen Bucht an. Zeit für Badespass und später ein leckeres Essen.

Ein ganz besonderer Tag voller Licht, Wind und Meerluft, den wir nicht so schnell vergessen werden!

Happy New Year!

Das neue Jahr begrüßt uns mit Sonnenschein, und wir denken an euch „oben auf der Erdkugel“ in diesem Moment, in dem bei euch die Gläser klingen und die Raketen pfeifen. Wir stehen gerade auf einer überaus friedlichen Waldlichtung in der Mittagsonne, einem DOC-Camping (das ist die staatliche Naturschutz-Organisation). Es gibt Toiletten, eine Naturdusche, 0% Netzempfang, viel Stille und viele Vögel, und ein paar wenige Mitcamper mit Zelten. Die Campgebühr wirft man einfach in einen Briefkasten.

Staunend und ganz allein, nur von den melodischen Vogelstimmen umgeben ließen wir die Gemeinschaft der uralten Kauri-Bäume dieses Waldes auf uns wirken, von denen der älteste hier keimte, als wir in Europa gerade Burgen bauten und Hexen verbrannten. Der älteste Kauri in Neuseeland war über 4000 Jahre alt gewesen. Uralt, majestätisch ruhend und schwindelerregend hoch sind sie.




Wir sind einem Wahnsinns-Kiddy-Surf-Boot-rein-Boot-raus-Grill-anwerfen-Rummel* an einem extrem wuseligem, engem Hochsaison-Camping entflohen und richtig happy hier mitten im Urwald, eine Stunde landeinwärts.

Gestern erhielten wir auf einer kleinen Wanderung in den Dschungel unsere Kiwi-Taufe, es regnete so intensiv auf dem Rückweg, dass wir völlig durchnäßt und triefend (aber mit attraktiver Beute im Kameraspeicher) wieder bei unserm Bus ankamen.
Wunderbar, dann im großen Wald ein trockenes Plätzchen zu haben, wenn der Regen aufs Dach trommelt, und unseren Gaskocher um einen Tee zu kochen. Gut gelaunt mampfen wir excellente Kartoffelchips, trinken Bier und spielen Pacman, und später stundenlang Scrabble auf dem iPad.

Später machen wir uns dran, ein indisches Silvester-Essen zuzubereiten, und stoßen zu Mitternacht mit australischem Wein auf die Daheimgebliebenen an.
Kultur-Natur-Paradox: Von unseren Camp-Nachbarn, die sich vorher lange auf der tropfnassen Wiese abgemüht hatten, ein Feuer in Gang zu bringen, klingen plötzlich Chansons von George Moustaki durchs Busfenster und danach mit perfekt klassisch ausgebildeter Singstimme fröhlich zwitschernde Operetten-Arien, begleitet von der Gitarre, an unsere verzauberten und überraschten Ohren.
Etwas von dieser leichten Energie senden wir zu allen unseren Freunden, stoßen auf euch an, wünschen Euch ein wundervolles neues Jahr mit viel Raum für wirklich Wesentliches!

Wir finden, dass es eine tolle Hochzeitsreise ist und stellen eindeutig fest, dass es uns so besser geht, je einfacher (= billiger) und naturnäher der Platz ist. Die Dinge, die der Seele gut tun, kann man nicht kaufen, und an Plätzen, an denen Vieles zu kaufen und zu Begehren ist, gibt es so Weniges, das wirklich gut tut.

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* Der Rummel ist allerdings nach europäischen Maßstäben harmlos und wäre bei uns eher der Urlaubs-Normalfall. Der Neuseeländer reist aber mit Hauszelt, großem Geländewagen, Bootsanhänger mit eigenem Boot und vielen Angeln, Harpunen und/oder Tauchgeräten. Die im mannlich-stolzem Seemansgang herangeschafften Jagdergebnisse werden dann mithilfe eines enormen Grills im großen Kreis der Familie zubereitet und verspeist. Es sind nette und offene Leute. Das ganze mal zweihundert auf einem viel zu kleinen Campingplatz ist aber nicht so nach unserem Geschmack.